An das
Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung
Kennwort: Positivliste
GeschZ.: B-116-01-07-101/02
Mohrenstraße 62
10117 Berlin
Berlin, 07.12.2002
Anhörungsverfahren zum AMPoLG-Referentenentwurf
Hier: Stellungnahme zur Eingeschränkung der
Verordnungsfähigkeit von oralem Magnesium und
Antrag auf Erweiterung der Verordnungsfähigkeit von oralem Magnesium
Sehr geehrte Damen und Herren,
auf unsere erste Stellungnahme zum Vorentwurf (Az: A-116-55-07-103/01)
erhielten wir von Ihnen bisher nur ein Empfangsbekenntnis und keine
inhaltliche Antwort.
Zwischenzeitlich wurde der Text unter der Rubrik
"Einschränkungen" für Magnesium geändert. Die
gegenwärtige Eintragung für orale Magnesiumpräparate
lautet:
ATC-Code |
Wirkstoff |
Besonderheiten |
Einschränkung |
A12CC |
Magnesium |
- |
verordnungsfähig nur bei krankheits- und arzneimittelbedigtem
Mg-Mangel; orale Arzneimittel müssen mindestens 5 mmol Mg pro
abgeteilte Arzneiform enthalten |
Stellungnahme
Die im Referentenentwurf gewählte Formulierung zur
Einschränkung der Verordnungsfähigkeit ist unklar und
nicht eindeutig formuliert.
Warum wurde weder die Formulierung
"Verordnungsfähig bei symptomatischem und nachgewiesenen Mg-Mangel"
noch die Formulierung des Anwendungsgebietes der bereits zugelassenen
oralen Magnesiummonopräparate
"Nachgewiesener Magnesiummangel, wenn er die Ursache für
Störungen der Muskeltätigkeit (neuromuskuläre
Störungen, Wadenkrämpfe) ist" verwendet?
Die im Referentenentwurf genannte Formulierung läßt
offen, ob unter "krankheitsbedingtem Mangel" folgende Indikationen
eindeutig einbezogen sind:
- "Verordnungsfähig bei primären, d.h. genetisch-bedingtem
Magnesiummangel"
- "Verordnungsfähig bei symptomatischem und nachgewiesenen
Mg-Mangel" und
- "Verordnungsfähig bei nachgewiesenem Magnesiummangel, wenn er
die Ursache für Störungen der Muskeltätigkeit
(neuromuskuläre Störungen, Wadenkrämpfe) ist".
Gegen die Erwähnung der Indikation Eklampsie bei parenteraler
Gabe und gegen die Mindestmengenangabe bei oralen Mg-Arzneimitteln
haben wir keine Einwände.
Antrag
Hiermit beantragen wir, daß die bisherige Formulierung zur
Einschränkung der Verordnungsfähigkeit von oralen und
parenteralen Mg-Präparaten erweitert bzw. geändert wird in:
- "Verordnungsfähig bei primären, d.h. genetisch-bedingtem
Magnesiummangel"
- "Verordnungsfähig bei symptomatischem und nachgewiesenen
Mg-Mangel" sowie
- "Verordnungsfähig bei nachgewiesenem Magnesiummangel, wenn er
die Ursache für Störungen der Muskeltätigkeit
(neuromuskuläre Störungen, Wadenkrämpfe) ist"
oder daß eine entsprechende Klarstellung im Kommentar zum
Gesetz erfolgt.
Eine übergeordnete Formulierung könnte wie folgt lauten:
"Bei nachgewiesenen Störungen des Elektrolythaushaltes,
insbesondere bei Erhöhung der neuromuskulären Erregbarkeit."
Begründung unseres Antrages
Klinisch kommt die Erhöhung der neuromuskulären
Erregbarkeit (neuromuskuäre Übererregbarkeit) in dem
Krankheitsbild der Tetanie und hier wiederum u.a. im
Magnesiummangel zum Ausdruck und wird in der ICD-10 unter der
Rubrik R29.0 bzw. E83.4 verschlüsselt.
Die gültige Arzneimittelrichtlinie gestattet in solchen Fällen die
Behandlung dieser Krankheitsbilder gemäß Nr. 17.2. der
Arzneimittelrichtlinie unter der Voraussetzung, "daß zuvor
allgemeine, nicht medikamentöse Maßnahmen genutzt
wurden, hierdurch aber das Behandlungsziel nicht erreicht werden
konnte und eine medikamentöse Behandlung mit diesem
Arzneimittel erforderlich ist".
Als verordnungsfähig werden Kalziumverbindungen als
Monopräparate bei dokumentierter Hypokalzämie und
Magnesiumverbindungen als Monopräparate bei
neuromuskulären Störungen ausdrücklich als
verordnungsfähig genannt.
Das Tetaniesyndrom wird in allen bekannten Lehrbüchern des Fachgebietes
Neurologie seit Jahrzehnten ausführlich beschrieben. Eine aktuelle
umfassende Darstellung findet sich von den Autoren H.C. Hopf und
K. Schimrigk in dem Lehrbuch H.C. Hopf, G. Deuschel, H.C. Diener
und H. Reichmann: "Neurologie in Praxis und Klinik",
Georg-Thieme-Verlag Stuttgart/New York 1999, 2 Bände, Seiten 163-165:
Unter den differentialdiagnostisch abzuklärenden Ursachen wird auch der
Elektrolytmangel und Magnesiummangel als Ursache der Tetanie angegeben.
Aus der persönlichen Arbeit in unserer Praxis (Dr. Fauk) bei
jahrzehntelanger Betreuung von Tetaniepatienten können wir diese
Dinge ausdrücklich bestätigen. Entsprechende Darstellungen in der
Fachliteratur erfolgten durch:
- Fehlinger, R.: Magnesium und tetanisches Syndrom, Magnesium
Bull. Heft I, 40-47 (1980)
- Fehlinger, R., L. Franke, E. Glatze, E. Meyer, M. Mischalow, C. Schulz,
G. Schumann, S.M. Rapoport, M. Rüstow: Klinische Studie zur
Magnesiumbehandlung des tetanischen Syndroms, Magnesium Bull.
Heft III, 298-306 (1981)
- Fehlinger, R., R. Fehlinger, D. Fauk, K. Seidel:
Transitorische zerebrale Ischämien (TIA) beim tetanischen Syndrom,
Dt. Gesundheitswesen 39, 130-134 (1984)
- Fehlinger, R., K. Seidel: The hyperventilation syndrome: Neurosis or
manifestations of magnesium imbalance? Magnesium 4, 129-136 (1985)
- Mielke, U., R. Fehlinger, D. Fauk: Rheoenzephalographische
Veränderungen bei Tetaniepatienten, Z. Klin. Med. 41,
43-46 (1986)
- Fehlinger, R., U. Mielke, D. Fauk, K. Seidel: Rheographic
indications for reduced cerebral vasoconstriction after oral
magnesium medication in tetanic patients, a double-blind,
placebo-controlled trial, Magnesium 5, 60-65 (1986)
- Fehlinger, R.: Therapy with magnesium salts in neurological
diseases - A critical Appraisal, Magnesium Bull. 12, 35-42 (1990)
In diesen Arbeiten wurde durch R. Fehlinger und Mitarbeiter die Wirksamkeit
des Magnesiums bei Magnesiummangeltetanie nachgewiesen.
Magnesium ist essentieller, d.h. lebensnotwendiger Stoff. Kein Lebewesen im
Pflanzen- und Tierreich kann ohne Magnesium existieren, erst recht nicht der
Mensch. Für Magnesiummangel-tetaniker gibt es nur eine einzige kausale
Therapie: Magnesium. Die Nennung von Magnesium im Zusammenhang mit den sog.
umstrittenen Arzneimitteln ist dabei grundsätzlich fehl am Platz.
Im Gegenteil - als Mittel der 1. Wahl müssen
grundsätzlich die Stoffe angesehen werden, die für den
Körper essentiell sind (z.B. Magnesium) oder die vom
Körper selbst produziert werden (z.B. Insulin).
Innerhalb der Gruppe der Patienten mit Magnesiummangeltetanie fällt die
familiäre Häufung auf.
Entsprechende Darstellungen in der Fachliteratur erfolgten u.a. durch:
- Fehlinger, R.: Zur Familiarität des tetanischen Syndroms - Ein
kasuistischer Beitrag. Magnesium Bull. 17, 104-108 (1995)
- Liebscher, D.H., D. Fauk: Fallbericht: Späte hochdosierte orale
Magnesiumtherapie bei einer 83-jährigen Frau mit
Magnesiummangeltetanie, Magnesium Bull. 22, 100-101 (2000)
Zur Genetik des Magnesiummangels renaler Ursachen erfolgte in diesem Jahr
eine umfangreiche Darstellung durch
- Weber, S., Konrad, M.: Angeborene Magnesiumverlusterkrankungen, Dt.
Ärztebl. 99, B1023-B1028 (2002).
Die Genetik des Magnesiummangels intestinaler Ursachen ist beschrieben im
Lehrbuch von
- v.Harnack, G.-A., B. Koletzko (Hrsg.): Kinderheilkunde, 10.
Auflage (1997), S. 175-176.
Diese Patientengruppe, d.h. die Patienten mit familiärem
Magnesiummangel (genetisch bedingten Mangel) haben lebenslang einen
wesentlich höheren Bedarf.
Diese Patientengruppe benötigt zwischen 600 und 1500 mg orales
Magnesium pro Tag (Patienten mit drastischen genetischen Defekten
wurden ebenso in der Literatur beschrieben, die bis zu 7500 mg
Magnesium pro Tag substituiert erhalten müssen). Magnesium in
Größenordnungen von 600 bis 1500 mg kann nicht allein
durch die Nahrung aufgenommen werden! Es muß substituiert werden.
In den Hinweisen des BMG zur Einreichung von Stellungnahmen und
Anträgen im Rahmen des Anhörungsverfahrens zum
Referentenentwurf zum AMPoLG wird unter Punkt II.1 zwar formuliert:
"Die Vorlage von Anwendungsbeobachtungen und Kasuistiken ... ist
nicht sinnvoll."
Im Fall der geschilderten Betroffenengruppe, d.h. der Patienten mit
familär bedingtem Magnesiummangel, bedeuted dies eine
fehlgehende und unethische Ausgrenzung.
Genetisch bedingter Magnesiummangel ist individuell und keine
Frage von zufallsverteilten Studien!
Zahlreiche kasuisitsche Berichte aus der Sicht der Patienten
einschließlich selbst betroffener Ärzte können
jederzeit nachgereicht werden.
Eine zusätzliche Bedeutung hat die Anwendung von Magnesium in
den letzten Jahren in der prophylaktischen Gabe bei
Migränepatienten gefunden. In den Therapieempfehlungen der
Dt. Kopfschmerz- und Migränegesellschaft wurden
Magnesiumpräparate als Mittel der 2. Reihe empfohlen. Als
Dosierung wurden 2 x 300 mg (600 mg) festgelegt. Insbesondere
während der Gravidität ist die Gabe von Magnesium oft die
einzige prophylaktische Möglichkeit.
Die neuromuskuläre Übererregbarkeit infolge eines
Magnesiummangels findet sich sowohl an der Skelett- wie auch der
glatten Muskulatur. Aus diesem Grund findet Magnesium auch
Verwendung bei der Behandlung der Eklampsie, zur Tokolyse, bei der
Mitbehandlung des Schlaganfalls, bei der Beeinflussung des
Gefäßspasmus nach Subarachnoidalblutung sowie als
Adjuvans bei der Schmerzbehandlung.
Die Verordnung von Magnesium als Monopräparat bei nachgewiesener
neuromuskulärer Übererregbarkeit, dem tetanischen
Syndrom, wenn die Ursache nachweislich beim Magnesiummangel liegt,
ist bisher erstattet worden. Die Verordnungsfähigkeit ist auch
in der gültigen Arzneimittelrichtlinie vorgesehen. Eine
anderweitige Behandlung der Magnesiummangeltetanie ist nicht
möglich! Auf Grund dessen halten wir die Übernahme der
von uns beantragten Verordnungsmöglichkeit in die Positivliste
gemäß AMPoLG für zwingend erforderlich.
Dr.sc.med. D. Fauk
Niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie
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Prof.Dr.sc.nat.Dr.med. D.-H. Liebscher
Facharzt für Biochemie
1. Vorsitzender der Selbsthilfeorganisation Mineralimbalancen
- Schwerpunkt Magnesiummangel -
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