Magnesiumhgilfe: Poster, November 2007
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Poster zum 2. Deutschen Kongress für Patientensicherheit bei medikamentöser Therapie (2. Jahrestagung des Aktionsbündnisses Patientensicherheit e.V.), 29.-30. November 2007, Bonn, Deutschland

Fehlende Patientensicherheit bei Magnesiummangel

D.-H. Liebscher (Berlin), D.-E. Liebscher (Potsdam)

Selbsthilfeorganisation Mineralimbalancen e.V. - Schwerpunkt Magnesiummangel
Karl-Marx-Allee 3 (Haus der Gesundheit), D-10178 Berlin
http://www.magnesiumhilfe.de/

Poster, November 2007

Unter dem Druck innovativer Arzneimittel und neuer technischer Möglichkeiten wird der Blick fast vollständig verstellt, dass die Patientensicherheit auch bei scheinbar banalen Problemen und bekannten Wirkstoffen gefährdet sein kann.

Insgesamt wird eine symptomatische Arzneimittel-Fehlbehandlung und damit iatrogene Schädigung Magnesiummangel-Betroffener provoziert, so lange die kausale Therapie mit Magnesium nicht erfolgt. Diese krasse Situation der Magnesiummangeltetaniker widerspricht der Annahme, dass Patientensicherheit und patientenorientierte Entscheidungen in Deutschland ausreichend gewährleistet sind.

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Einführung

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Patientensicherheit basiert auf einer Grundregel ärztlichen Handelns, dem Patienten möglichst nicht zu schaden. Die Globalisierung ermöglicht jedoch, dass innovative Arzneimittel (im engsten Sinn die Markteinführung des ersten Stoffes einer neuen Arzneimittelklasse) in kürzester Zeit marktbeherrschend werden und bislang unerkannte schwere Nebenwirkungen in kürzester Zeit bei einer Vielzahl Patienten Schaden setzen können. Aus diesem Grund mussten neue Maßnahmen wie die PSUR (periodic safety update reports) eingeführt werden, um Nebenwirkungen besser erfassen und bewerten sowie um zeitnah Maßnahmen ergreifen zu können.

Problem

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Unter dem Druck innovativer Arzneimittel und neuer technischer Möglichkeiten wird der Blick fast vollständig verstellt, dass die Patientensicherheit auch bei scheinbar banalen Problemen und bekannten Wirkstoffen gefährdet sein kann, z.B. bei der Art und Weise der Behandlung bzw. überwiegenden Nichtbehandlung von Mg-Mangel-Patienten (Liebscher und Liebscher 2001).

Im Einzelnen

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1. Die Gefährdung beginnt mit der Tatsache, dass viele Ärzte sowohl das Vorkommen eines Mg-Mangels als auch die gesundheitlichen Folgen bewusst ignorieren. Selbst Patienten, die eine "Lehrbuchanamnese" einer Magnesiummangeltetanie haben, werden mit ihren gesundheitlichen Problemen z.T. nicht ernst genommen und dem einmal geäußerten und begründeten Mg-Mangel-Verdacht wird einfach nicht nachgegangen, selbst dann nicht, wenn die Patienten zusätzlich bereits einen positiven oralen oder parenteralen Mg-Belastungstest aufweisen.

2. Die Bedeutung eines Mg-Mangels wird banalisiert. Selbst ein nachgewiesener Magnesiummangel wird nicht als schwerwiegende Erkrankung begriffen, obwohl die geltende Arzneimittelrichtlinie (OTC-Ausnahmeliste - AMR F16.4.24 und F16.4.25) diesen Zusammenhang zutreffend und exakt als schwerwiegende Erkrankung definiert.

3. Im differentialdiagnostischen Denken der Ärzteschaft kommt Mg-Mangel so gut wie nicht mehr vor. Vorschub leistet die überwiegende Anzahl Lehrbücher, die Mg-Mangel als zu berücksichtigende Differentialdiagnose nicht erwähnen.

4. Nach einem Mg-Mangel wird so gut wie nicht gefahndet, Mg-Bestimmungen werden nicht (mehr) durchgeführt. Den betroffenen Patienten wird meist erklärt, dass die Kassen diese Bestimmungen angeblich nicht übernehmen, obwohl Methoden, die zur eindeutigen Abklärung dienen, nach SGB erstattet werden müssen.

5. In der Ärzteschaft ist unbekannt, dass ein Mg-Mangel zu etwa 80% aus der Anamnese, der klinischen Symptomatik und unter Berücksichtigung der Familienanamnese möglich ist.

6. Stattdessen wird immer wieder der so genannte objektive Laborwert als ausschlaggebendes und dann nach Fehlinterpretation als ablehnendes Argument des Arztes verwendet wird. Ärzte, die einen Mg-Mangel anhand von Mg-Serumwerten nachweisen wollen, interpretieren häufig die Ergebnisse fehlerhaft. Werte innerhalb des jeweils angegebenen Referenzbereichs dienen in den meisten Fällen dazu, die Existenz eines Mg-Mangels - selbst bei vorherrschender klinischer Symptomatik - abzulehnen. Die Referenzbereiche richten sich aber nach den Gesunden (Rükgauer 2005). Sie können Gesundheit ausschließen. Will man Mg-Mangel ausschließen, muss man sich an der Serumwert-Verteilung der Betroffenen orientieren. Der kritische Wert, der Mg-Mangel ausschließt, liegt dann wesentlich höher (Liebscher und Liebscher 2004).

7. Die Warnung der Arzneimittelkommision der deutschen Ärzteschaft (2003) in den "Arzneiverordnungen", dass in 50% der Fälle ein intrazellulärer Mg-Mangel nicht in den Mg-Serumwerten nachweisbar ist, wird ignoriert und ist weitgehend unbekannt.

8. Mg-Werte in Erythrozyten und im Vollblut als Bestimmung des intrazellulären Magnesiums werden nur sehr selten erhoben, obwohl hier der Nachweis des Mg-Mangels häufig erbracht werden kann. Aber auch hierbei besteht wieder die Gefahr, dass niedrige intrazelluläre Werte innerhalb des Referenzbereichs trotz vorhandener Symptomatik nicht als Beweis gewertet werden.

9. Es wird fehlerhaft angenommen, dass Mg-Mangel sehr selten ist. Bei einer Konstellation wie der geschilderten (Nichterkennen, Nichtdiagnostizieren, Nichtberücksichtigen und Nichtbehandeln eines Mg-Mangels) ist diese Fehlannahme vorprogrammiert. Es wird unzureichend wahrgenommen, dass in der Bevölkerung ein latenter Mg-Mangel von 15-20% (Bobkowski et al. 2005) vorherrscht. Vorschub leistet die Öffentliche Gesundheitsberichterstattung des Bundes (RKI 2006), die Mg zu Unrecht nicht erwähnt.

10. Den meisten Ärzten ist der genetische Hintergrund der Erkrankung (Schlingmann et al. 2007) nicht bewusst. Aus diesem Grund wird der Familienanamnese (Fehlinger 1991b) zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Auch gehen viele Ärzte von der fehlerhaften Annahme aus, dass genetisch-bedingte Erkrankungen sich unmittelbar zur Geburt oder im Säuglingsalter zeigen müssen. Aus diesem Grund fehlt das Wissen, dass nach einem genetisch-bedingten Mg-Mangel gesucht werden muss, um ihn so früh wie möglich zu entdecken, und dass Mg lebenslang substituiert werden muss, um Folgeschäden oder Frühberentungen zu vermeiden.

11. Magnesiummangeltetaniker müssen hinsichtlich der erforderlichen Mg-Substitutionsmenge titriert (aufdosiert) werden - bis die klinische Symptomatik verschwindet. Die erforderliche Dosis liegt zwischen 600 und 1800 mg, in Einzelfällen noch höher (Fehlinger 1991a, 1991b; Patienten-berichtete Ergebnissen der SHO Mineralimbalancen e.V. siehe www.magnesiumhilfe.de). Aber selbst die diagnostizierten Mg-Mangel-Patienten werden häufig unzureichend therapiert. Denn die meisten Mg-Arzneimittel enthalten als Dosierungsempfehlung nur 300-350 mg Mg pro Tag. Ärzte, die sich mit der Thematik wenig auskennen und sich deshalb auch an diese Anleitung halten, unterdosieren zwangsläufig ihre Patienten, denn die Empfehlungen stammen aus einer Zeit, in der die Genetik der Mg-Stoffwechselstörungen bzw. des Mg-Mangels bzw. der angeborenen Magnesiumverlusterkrankungen nicht bekannt war. Die Mg-Verzehrmenge, die für Gesunde mit 300 - 350 mg Mg definiert ist, wird seither fehlerhaft als ausreichende Substitutionsmenge bei Mg-Mangel angenommen; die zuständige Bundesoberbehörde hat bisher keinen Stufenplan zur Änderung der Dosierungsempfehlungen erlassen.

12. Im jährlich erscheinenden "Arzneiverordnungs-Report" (AVR) (Schwabe und Paffrath 2007) wird Magnesium seit über 20 Jahren als "umstrittenes Arzneimittel" geführt und der Ersatz der Mg-Substitutionstherapie durch Mg-reiche Ernährung empfohlen. Beides ist wissenschaftlich unhaltbar. Der Bedarf von Betroffenen (> 600 mg Mg, meist 900-1200 mg, in einigen Fällen darüber hinaus) kann nicht durch Ernährungsvarianten gedeckt werden. Die im AVR genannten Umsatzzahlen der zu Lasten der GKV verordneten Mg-Präparate, die seit 2004 extrem gefallen sind, beweisen die Unterversorgung der Mg-Mangeltetaniker: Zu wenige werden diagnostiziert und zu viele werden unterdosiert behandelt, was aufgrund der langjährigen Fehlorientierung der Ärzteschaft nicht überrascht.

13. Selbst diagnostizierte und bisher ausreichend hoch dosiert substituierte Mg-Mangel-Tetaniker laufen Gefahr, in einem Krankenhaus nicht ordentlich mit Mg weiterversorgt zu werden. Selbst entsprechende Bemerkungen (bzw. mit der genannten Bedingung: nur unter Mg-Substitution) in den OP-Einwilligungserklärungen werden missachtet. Selbst bei Berücksichtigung der Mg-Substitution ergeben sich dann noch Probleme bei der richtigen Berechnung der erforderlichen i.v.-Dosierung.

14. Ökonomische Zwänge wie Budgetierung verleiten die Ärzteschaft, bei den rezeptfreien Arzneimitteln zuerst zu sparen, selbst wenn die Ausnahmeliste wie im Fall des Magnesiums anderes bestimmt. Dieses Handeln stellt eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Rationierung dar, die den Patienten nicht nur gesundheitlich sondern auch finanziell schädigt. Betroffene Patienten werden in die Selbstmedikation getrieben. Als medizinische Laien halten sich die Betroffenen meist an die Dosierungsempfehlungen in den Gebrauchsanweisungen, die zu niedrig sind, unterdosieren sich damit zwangsläufig und gefährden damit gröblichst Ihre eigene Gesundheit. Diese Situation wird verschärft, weil die Patienten in der Selbstmedikation aus Kostengründen auch auf preiswertere Nahrungsergänzungsmittel zurückgreifen, auf denen seit 2006 de facto der Warnhinweis (für Gesunde) steht: "Die empfohlene tägliche Verzehrmenge sollte nicht überschritten werden"; dies führt Mg-Mangel-Betroffene in die Irre.

15. Auch der MDK ist bei der Beurteilung der Magnesiummangeltetaniker meist überfordert, wodurch es zu Fehlbeurteilungen ("Der Mg-Mangel sei nicht ausreichend nachgewiesen.") kommt.

Zusammenfassung

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Insgesamt wird eine symptomatische Arzneimittel-Fehlbehandlung und damit iatrogene Schädigung Magnesiummangel-Betroffener provoziert, so lange die kausale Therapie mit Magnesium nicht erfolgt. Diese krasse Situation der Magnesiummangeltetaniker widerspricht der Annahme, dass Patientensicherheit und patientenorientierte Entscheidungen in Deutschland ausreichend gewährleistet sind. Aufgrund der genannten Vielzahl an Gründen für diese Fehlorientierung und mangelnde Patientensicherheit muss entschieden mehr als bisher getan werden, damit das Krankheitsbild des Magnesiummangels stärker berücksichtigt und die Patienten in erforderlicher Weise behandelt werden. Mg-Mangel muss als Differentialdiagnose in einem weiten Bereich von Erkrankungen Berücksichtigung finden. Patienten mit unbehandeltem Mg-Mangel sind besonders gefährdet durch Nebenwirkungen bekannter oder innovativer Arzneimittel; das neueste Beispiel ist Cetuximab (Groenestege et al. 2007).

Literatur

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  1. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (Hrsg): Magnesiummangel, Hypomagnesiämie. In: Arzneiverordnungen, Deutscher Ärzte-Verlag, Köln, 20. Auflage (2003), 742-743.
  2. Bobkowski W et al. The importance of magnesium status in the pathophysiology of mitral value prolaps. Magnes Res 2005;18(1):35-52.
  3. Durlach J. Magnesium in der klinischen Praxis, Fischer-Verlag, Jena&Stuttgart (1992).
  4. Fehlinger R. Das tetanische Syndrom. Verla-Pharm, Tutzing (1991a).
  5. Fehlinger R. Zur Familiarität des tetanischen Syndroms. Magnes. Bulletin 1991b;13:53-57.
  6. Groenestege WMT et al. Impaired basolateral sorting of pro-EGF causes isolated recessive renal hypomagnesemia. J Clin Invest 2007;117:2260-2267.
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  13. Robert-Koch-Institut (RKI): Öffentliche Gesundheitsberichterstattung des Bundes, 2006.
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  15. Schwabe U, Paffrath D (Hrsg.). Arzneiverordnungs-Report 2006, Springer, Heidelberg 2007, 20-23.
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2008-12-06